Zwergensprache: extra „für hörende Babys“ entwickelt. Was diese „Sprache“ ist und was nicht – welche Unterschiede es zu LBG und vor allem Gebärdensprache gibt und was mich so ärgert. All das erfährst du hier im Artikel.
Inhaltsverzeichnis
1. Was ist Zwergensprache?
2. Für wen sind diese baby signs gedacht?
3. Warum ist Zwergensprache keine Sprache?
4. Was ist der Unterschied zu LBG?
5. Ist Zwergensprache so was wie Gebärdensprache für Babys?
6. Hilft Zwergensprache bei der Sprachentwicklung?
7. Was mich bei dem Hype um die Zwergensprache richtig ärgert!
Zwergensprache – ein Bericht in den sozialen Medien schildert die Vorteile. Da tauchen bei mir gleich mehrere Fragen auf. Und ehrlich – es macht mich auch sauer! Warum wird extra „für hörende Babys“ diese „Sprache entwickelt“? Wo es doch bereits eine hervorragend funktionierende Gebärdensprache gibt. Die eine echte Sprache ist? Und wo bleibt der Hype für die Gebärdensprachen?
1. Was ist Zwergensprache?
Zwergensprache wurde in den 1980er Jahren in England und Amerika entwickelt. Andere Bezeichnungen, die du in diesem Zusammenhang findest, sind auch:
- Babyzeichen
- Kindergebärden
- baby signs
- präverbale Gebärden
- Baby-Handzeichen
Du siehst, es gibt viele Namen für diese Erfindung.
2. Für wen sind diese baby signs gedacht?
Die Zwergensprache wurde speziell für hörende Babys entwickelt.
Der Gedanke dahinter ist: Babys sollen sich schon früher mitteilen können.
Wenn du gehörlose Familien kennst, wirst du feststellen, dass das bei tauben Kindern wirklich so ist. Gehörlose Babys und Kleinkinder können durch die Gebärdensprache – wenn es für sie Muttersprache ist – schon viel früher kommunizieren.
Warum das etwas ganz anderes ist als bei der Zwergensprache – das wirst du hier noch lesen.
Grundsätzlich ist also die Idee: Babys unterstützen, damit sie schon sehr früh ihre Bedürfnisse ausdrücken können. Das ist im Zusammenhang mit einem bedürfnisorientierten Aufwachsen natürlich positiv.
Falls du dich für diese Art der Zeichen interessierst: Es gibt Kurse, in denen diese Art der Kommunikationsunterstützung vermittelt wird. .
3. Warum ist Zwergensprache keine Sprache?
Vielleicht fragst du dich, was eigentlich eine Sprache ausmacht? Generell ist Sprache ein komplexes System zur Kommunikation.
Allein an dieser sehr allgemeinen Beschreibung kannst du erkennen: Die Babyzeichen sind keine „Sprache“. Es ist kein komplexes System.
Vor allem: Es gibt auch keine Grammatik – keine Sätze. Es handelt sich um einzelne Worte – teilweise vereinfachte Zeichen. Klar, kannst du damit sehr Grundlegendes zeigen. Aber eine Sprache ist doch so viel mehr!
Deshalb finde ich die Bezeichnung Zwergen“sprache“ auch irreführend.
4. Was ist der Unterschied zu LBG?
LBG ist die Abkürzung für lautbegleitende Gebärden. Hierbei wird wirklich jedes einzelne Wort mit einer Gebärde begleitet.
Im Gegensatz dazu verwendet man bei der Zwergensprache nur sehr vereinzelt Zeichen. So kann es sein, dass du bei dieser Zeichensprache nur ein Wort zeigst, während du einen ganzen Satz lautsprachlich sagst.
Klar, auch die LBG ist keine eigenständige Sprache. Das ist auch nicht der Einsatzzweck. Für gehörlose Kinder kann die LBG hilfreich sein, wenn sie die deutsche Lautsprache erlernen. Da die Gebärdensprache eine ganz andere Grammatik hat, gibt es hier große Unterschiede. Mit den Gebärden der LBG kann die Fremdsprache „Deutsch“ so besser erklärt werden. Zum Beispiel gibt es in der Deutschen Gebärdensprache keine Artikel: der Tisch, das Haus, die Katze. Um dann zu zeigen, welcher Artikel zu einem Wort gehört, kann die LBG hilfreich sein. Oder eben auch generell, um den Satzbau und die Grammatik zu verdeutlichen.
Leider wurde früher oft in LBG unterrichtet. Das hatte verschiedene Gründe. Für taube Kinder ist es – wie für alle Kinder – sinnvoll, wenn sie in ihrer Muttersprache unterrichtet werden.
Du willst auch noch andere Wege zur Kommunikation testen? Dann schau dir auch an:
5. Ist Zwergensprache so was wie Gebärdensprache für Babys?
Manchmal habe ich den Eindruck, dass genau das verkauft wird. Und das ist aus meiner Sicht falsch. Zwergensprache sind zum Teil künstlich vereinfachte Gebärden und: Sie sind an die Gebärdensprache nur angelehnt. Du lernst also nicht unbedingt die Gebärden aus der Gebärdensprache.
Als Begründung wird genannt: Babys können die richtigen Gebärden noch nicht zeigen. Das stimmt, aber: Babys können auch die „richtigen Wörter“ nicht richtig aussprechen. Jetzt kannst du dir ja mal überlegen, wie du mit deinem Baby sprichst. Und ob dafür ein eigenes System erfunden werden musste.
Auch Gehörlose sprechen mit ihren Babys anders als mit Erwachsenen. Dafür brauchen sie aber niemanden, der sich neue Zeichen ausdenkt.
6. Hilft Zwergensprache bei der Sprachentwicklung?
Das ist umstritten und wie vieles in Zusammenhang mit Sprache: komplex.
Lass mich das Ganze mal von einer anderen Seite angehen:
Es ist klar belegt, dass die Gebärdensprache die Sprachentwicklung unterstützen kann. Kinder, denen von Anfang an eine vollwertige Gebärdensprache angeboten wird, haben viele Vorteile. Sie dürfen das Konzept Sprache von Anfang an erfahren, verstehen und verinnerlichen. Das hilft sehr, wenn sie später andere Sprachen erlernen wollen.
Kinder, die schwerhörig oder gehörlos sind, brauchen – wie jedes andere Kind – eine vollwertige Sprache. Wenn die fehlt, können sie sich nicht nur sprachlich, sondern auch emotional und sozial nicht richtig entwickeln. Weil eben vieles fehlt.
Somit ist die „Zwergensprache“ aus meiner Sicht für Kinder mit Hörbehinderung ungeeignet. Eltern, die sich darauf verlassen, verlieren wertvolle Zeit. Zeit, die sie in wenige Zeichen investieren, und diese Zeit fehlt ihnen vielleicht später.
Wenn du ein schwerhöriges oder gehörloses Kind hast: Lerne lieber eine echte Gebärdensprache!
Jetzt sagen die Erfinder und Vertreter: Die Zwergensprache ist für hörende Kinder entwickelt worden.
Und ich frag mich: Wofür brauchen wir das? Mit der Gebärdensprache gibt es eine wundervolle, vollwertige Sprache. Alle Vorteile, die von den Vertretern der Zwergensprache angeführt werden – alle treffen auf die Gebärdensprache voll zu. Und eben noch viel mehr.
Deshalb frage ich mich: Wofür sollen Eltern künstliche Zeichen lernen? Wenn es doch die Gebärdensprachen gibt! Lernt doch die – dann könnt ihr euch auch nach dem Babyalter noch mit Mitmenschen unterhalten. Ihr könnt eine völlig neue Kultur kennenlernen und: Barrieren abbauen.
7. Was mich bei dem Hype um die Zwergensprache richtig ärgert!
Klar, kann jeder lernen, was er will. Sprachen oder einfach nur Zeichen. Muss ja jeder selbst entscheiden, was er oder sie möchte.
Im Gegensatz zu manchen Zweiflern: Ich habe keine Bedenken, dass die Zwergensprache der Sprachentwicklung von hörenden Babys schadet. Nach meiner Erfahrung mit der Gebärdensprache gehe ich auch davon aus, dass die Zwergensprache hier in kleinem Rahmen nützlich sein kann. Gleichzeitig verstehe ich nicht, was es bringt, Eltern von hörenden Kindern mit dem Erlernen von einzelnen Zeichen zu belasten. Wofür einzelne künstliche Worte erlernt werden sollen, wenn es stattdessen eine vollwertige Sprache gibt.
Oder würdest du deinem Kind vereinfachte Worte beibringen, die an das Englische angelehnt sind?
Für schwerhörige und gehörlose Kinder halte ich die Zwergensprache für eine unnütze Zeitverschwendung! Wertvolle Zeit, die besser in einen Hausgebärdensprachkurs investiert ist.
Und was mich richtig ärgert:
Jeden Tag müssen sich Eltern rechtfertigen, weil sie mit ihren Kindern gebärden. Sie ermöglichen ihren Kindern den Zugang zu einer für sie barrierefreien Sprache. Und werden dafür angegangen! Sie müssen erklären, warum sie glauben, „dass es das auch noch braucht“. Wo das Kind doch jetzt eine Hörhilfe hat. Und überhaupt: Das Kind soll doch in die Lautsprache kommen!
Ja – dieselben Personen, die Zwergensprache toll finden, drängen Mütter in die Ecke. Mütter, die unter Stress versuchen, ihrem Kind eine vollwertige Sprache mitzugeben.
Und das ärgert mich an der Berichterstattung über Zwergensprache. Wird diese in einer Kita eingeführt, gibt es Sendungen darüber, wie sehr das den Kindern hilft.
Wenn eine Mama mit ihrem schwerhörigen Kind gebärdet, heißt es, dass das doch überflüssig ist und angeblich das Kind belastet.
Ich muss jetzt hier enden, sonst schreibe ich mich ich Rage.
Hinterlasse mir gerne einen Kommentar, wie du das Ganze siehst..