Sprachentzug ist Misshandlung

Bis vor einigen Jahren wusste ich selbst auch noch nichts darüber, dabei ist es so wichtig, dass dieses Thema endlich in unserer Gesellschaft ankommt! Für mich ist es immer noch unfassbar, wie es sein konnte und kann, dass wir Menschen ihre (Mutter-) Sprache verwehren. Welches Recht besitzen wir, zu entscheiden, welche Sprache für welchen Menschen, welches Kind und welche Familie geeignet ist? Sprachentzug ist Misshandlung!

Einen kleinen Einblick gewährt der NDR mit diesem Podcast – auch zum Nachschauen in Gebärdensprache.

Wenn Eltern sich (auch) für Gebärdensprache entscheiden

Immer wieder begegnen mir Eltern, die seit Jahren dafür kämpfen, dass Ihr hörbehindertes Kind und sie einen Hausgebärdensprachkurs genehmigt bekommen. Wie kann es sein, dass wir darüber überhaupt noch diskutieren müssen?

Wenn klar ist, dass ein 3-jähriges Kind doch nicht „gut genug hört um Sprache zu verstehen“, dann ist es legitim, Gebärdensprache zu erlernen? Die drei Jahre davon war das Kind dann ohne Sprache! Es war in seiner Entwicklung komplett ausgebremst und konnte die Welt nicht begreifen und verstehen! Das darf nicht mehr sein!

Viele unserer Kinder können mit ihren Hörgeräten oder Cochlear-Implantaten gut Lautsprache verstehen und dadurch auch Lautsprache erwerben. Oftmals gelingt auch dadurch die Kommunikation gut. Doch was ist, wenn unsere Kinder mit Hörhilfen/-prothesen gar keine oder nicht immer Lautsprache verstehen? Was ist, wenn sie krank sind, Entzündungen haben, ins Schwimmbad gehen, in großen Gruppen unterwegs sind oder oder oder. Es gibt viele Situationen, in denen unsere Kinder dann an Grenzen stoßen.

Was ist, wenn sie und ihre Familien sich für einen anderen – einen bilingualen oder auch rein gebärdensprachlichen Weg entscheiden?

Sprachentzug ist Misshandlung und muss aufhören!

Familien sind kompetent

Für mich ist es in meiner Arbeit mit Familien oberstes Gesetz, dass es immer eine individuelle Entscheidung der Familien ist, welchen Weg sie gehen. Das gilt auch für die (Familien-) Sprache. Ich weiß, dass alle Eltern für ihr Kind den in dem Moment besten Weg wählen. Meine Aufgabe ist es nicht, dies zu bewerten, sondern die Familien zu unterstützen, damit sie alle Informationen erhalten, die sie für ihre Entscheidung brauchen. Es ist mein Herzensanliegen, dass diese Familien so stark werden, dass sie mit Vertrauen in sich und ihr Kind ihre Entscheidungen treffen und ihren Weg gehen. Dabei helfe ich ihnen.

So kann es sein, dass für sich Familien ausschließlich für die Lautsprache entscheiden, andere wählen einen rein gebärdensprachlichen Weg und dazwischen gibt es über bilinguales Aufwachsen bis hin zur Begleitung mit lautbegleitenden Gebärden viele andere Möglichkeiten.

Egal für welchen Weg sich eine Familie entscheidet, es ist die Aufgabe unserer Gesellschaft, diese Kinder mit ihren Familien auf ihrem individuellen Weg zu unterstützen und zu fördern.

Wie ist das mit der Gebärdensprache?

Die Deutsche Gebärdensprache ist eine anerkannte, vollwertige Sprache und muss auch als solche unterrichtet werden! Wir Hörende können uns entscheiden, diese Fremdsprache zu erlernen und auch von den vielen Facetten und der damit verbundenen Kultur profitieren.

Hörbehinderte Kinder haben diese Wahl oft nicht. Ihnen eine vollwertige Sprache mitzugeben, die ihre Entwicklung fördert und sie einfach sein lässt ist eine Pflicht unserer Gesellschaft.

Die Situation in den Schulen

Spätestens in der Schule gibt es in Deutschland nur noch für sehr wenige Kinder die Möglichkeit ihre Gebärdensprachkompetenz zu erweitern und in ihrer (Mutter-) Sprache zu lernen.

Es kann nicht sein, dass sie stattdessen ausschließlich in einer Fremdsprache, die sie oftmals nur hilfsweise verwenden, unterrichtet werden.

Es ist unfassbar, dass Kinder über viele Stunden im Unterricht nichts mitbekommen, weil die Lehrkräfte nicht gebärdensprachkompetent sind, weil taube Lehrkräfte und Dolmetscher Mangelware sind oder erst gar nicht genehmigt werden. Die mangelnde DGS-Kompetenz der Unterrichtenden sehe ich keineswegs in deren Verantwortung – vielmehr habe ich viele unglaublich engagierte LehrerInnen kennenlernen dürfen, die alles tun, damit die Kinder im Unterricht mitkommen. Es ist die politische Verantwortung hier gänzlich andere Ausbildungen und Strukturen zu schaffen und zu fördern.

Es darf auch nicht mehr sein, dass hörbehinderte Schüler weit hinter ihren Möglichkeiten bleiben und ihr Potential nicht annähernd ausschöpfen. Und das, weil sie keinen Zugang zu ihrer Sprache haben.

Diese wertvolle Sprache endlich auch flächendeckend in den Schulen einzuführen ist aus meiner Sicht ein Muss. Selbstverständlich erfordert dies, dass die Gebärdensprache bereits in der Lehre/ der Ausbildung der Lehrkräfte berücksichtigt wird.

Mein Wunsch für unsere gehörlosen und schwerhörigen Kinder: Sprachentzug ist Misshandlung und muss aufhören!

Ich wünsche mir zum Wohle unserer Kinder, dass die Familien in ihren individuellen Entscheidungen unterstützt werden. Es ist aus meiner Sicht hilfreich für unsere Gesellschaft, wenn viel mehr Verbindungen zu tauben Menschen geknüpft werden. Häufig können sie unseren Kindern mit ihrer Muttersprache helfen, wirklich in der Welt anzukommen.

Lasst uns endlich unsere „Welten“ zu einer gemeinsamen Welt mit Respekt und Begegnung auf Augenhöhe verbinden.

Du hast selbst ein hörbehindertes Kind? Du möchtest es verstehen, begleiten und stark machen?

Dann schau Dich gerne in meinem Angebot um oder komm zu uns in den Club der starken Eltern!

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